Wie baut man sich ein tragfähiges berufliches Netzwerk auf? Darüber spricht „Unternehmerinnen ungeschminkt“-Autorin Christine Harbig neben weiteren Expertinnen im Interview mit der dpa, das ist zahlreichen Medien veröffentlicht worden ist.

Frankfurt/Main (dpa/tmn) – Wer einen beruflichen Rat braucht und dafür nur zum Handy greifen muss, spart Zeit und Mühen. Wer einen neuen Job sucht, hört von interessanten Stellen womöglich besonders schnell über Bekannte in derselben Branche. „Eigentlich ist es in fast jeder Berufsgruppe hilfreich, ein Netzwerk zu haben“, sagt Karin Kreutzer, Professorin für Social Business an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht.

Und besonders wer sich selbstständig machen will, kommt ohne gutes Netzwerk nur schwer in Gang. „Es geht ja darum, Informationen für die eigene Geschäftsidee zu sammeln und auch Empfehlungen zu bekommen zu Themen wie: Welche Grafikerin ist gut? Hat jemand vielleicht einen guten Steuerberater?“, sagt Unica Peters, Projektleiterin und Netzwerk-Expertin beim Frankfurter Verein jumpp – Frauenbetriebe. Spätestens bei der Akquise von Kunden sind Kontakte zudem oft Gold wert.

Doch so häufig vom Netzwerken auch die Rede ist: Wie funktioniert das eigentlich – und wie baut man sich ein tragfähiges berufliches Netzwerk auf?

Zunächst einmal, indem man auch auf bestehende Kontakte zurückgreift. „Viele setzen Netzwerken gleich mit Small Talk auf Konferenzen“, sagt Karin Kreutzer. Netzwerken heiße aber auch, „dass ich zu den Menschen, die ich schon kenne, die ich lose kenne, die ich besser kenne, ein gutes Verhältnis pflege.“

Schritt 1: Zurückhaltung ablegen

Das kann bedeuten, den ehemaligen Kollegen einfach mal wieder zu kontaktieren – oder die frühere Kommilitonin, von der man lange nichts gehört hat und die jetzt in einem interessanten Bereich arbeitet. „Wir wissen auch aus der Forschung, dass es gerade diese Weak Ties sind, also diese Beziehungen am Rande unseres Netzwerks, die häufig den größten Mehrwert stiften“, sagt Kreutzer.

Besonders Frauen seien hier allerdings oft zögerlich. Kreutzer hat für eine 2019 erschienene Studie weibliche Führungskräfte zu ihrem Networking-Verhalten befragt und sagt: „Da ist eine ganz hohe Bereitschaft, viel zu geben. Aber wenn es darum geht, Netzwerke für den eigenen Karrierefortschritt zu nutzen, gibt es eine Zurückhaltung.“

Die Professorin für Social Business rät, diese Zurückhaltung ruhig aufzugeben – und „die Menschen im Netzwerk mit ihrer Kompetenz wertzuschätzen und einfach zum Austausch einzuladen.“ Dann falle einem meistens auch ein, wie man sich gegenseitig helfen kann.

Schritt 2: Das Netzwerk ausbauen

Will man das eigene Netzwerk vergrößern, empfiehlt Unica Peters, die Gründerinnen berät, online aktiv zu werden. Karriere- oder branchenspezifische Plattformen bieten die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, die in einem relevanten Bereich arbeiten. Auch auf Facebook gebe es etwa spezifische Gruppen, so Peters.

Sie rät allerdings davon ab, Menschen, mit denen man ins Gespräch kommen wolle, einfach nur online eine Kontaktanfrage zu senden. Sinnvoller: In einer Nachricht „erklären, wie man auf die Person kommt, was einen an der Person interessiert und was man sich von einem möglichen Austausch erhofft“.

Außerdem wichtig: Vor-Ort-Veranstaltungen besuchen, etwa Konferenzen, Messen oder spezielle Veranstaltungen von Verbänden oder Kammern. Auch informelle Netzwerke, etwa im Bereich Wirtschaftsförderung oder speziell für Gründerinnen, können geeignete Anlaufstellen sein. „Manche interessanten Informationen erfährt man eben eher am Kaffeetisch, als dass sie über eine Online-Nachricht verschickt werden“, sagt Peters.

Schritt 3: Die Chemie muss stimmen

Die Gründerin und Autorin Christine Harbig weiß aus eigener Erfahrung: „Es hilft wirklich sehr, wenn man guckt, welche Netzwerke gibt es bei mir in der Gegend.“ Sie hat in Kooperation mit der Uni Hohenheim für das Buch „Unternehmerinnen ungeschminkt“ selbstständige Frauen porträtiert und Netzwerktipps für Gründerinnen recherchiert.

Ihre Empfehlung: Zunächst verschiedene Anlaufstellen kennenlernen. Schließlich ist es wichtig, dass einem die jeweiligen Menschen im Netzwerk auch sympathisch sind. „Dann ergibt sich oft automatisch dieser Austausch“, so Harbig.

Stimmt die Chemie nicht, gilt: Nicht aufgeben – und nach einem geeigneteren Netzwerk Ausschau halten. „Auch dadurch lernt man sich selbst immer besser kennen und weiß dann genauer: Was bin ich eigentlich für ein Typ? Was brauche ich? Und wer kann mir helfen?“, so Harbig.

Schließlich kann sogar das Format einen Unterschied machen. „Gerade für jemanden Introvertiertes“ ist es laut Unica Peters vielleicht besser, in einem Netzwerk zu sein, in dem es ein paar Fachvorträge gibt und man im Anschluss daran schon Gesprächsstoff für den Einstieg hat.

Schritt 4: Die Mischung macht’s

Stefanie Jungbauer, Coach für selbstständige Frauen und Unternehmerinnen, empfiehlt zudem, sowohl auf eigene Branchentreffen zu setzen als auch auf fachfremde Veranstaltungen. Dabei sollte man sich fragen: „Wo kann ich womöglich Kontakte machen, an die ich gar nicht gedacht habe?“

Eine Innenarchitektin könnte sich etwa einem Netzwerk speziell für Innenarchitektinnen anschließen. Womöglich lassen sich aber auch auf Literaturveranstaltungen neue Kontakte knüpfen, die beruflich interessant sind oder auf einer Automobilveranstaltung potenzielle Kunden kennenlernen. „Die Mischung macht es“, so die Coachin.

Um nach einem ersten Austausch in Kontakt zu bleiben, rät Jungbauer zu Offenheit. Sagen könne man etwa: „Ich fand unseren Austausch sehr sympathisch oder inspirierend. Wollen wir verbunden bleiben?“ Am nächsten Tag bedankt man sich dann direkt für den Austausch. „So ruft man sich nochmals ins Gedächtnis und drückt auch Wertschätzung dem Kontakt gegenüber aus.“

Schritt 5: Am Ball bleiben

Jungbauers Tipp, um in Verbindung zu bleiben: „Sich eine Netzwerkliste anlegen.“ Hier könne man etwa den Namen, Beruf und Kontakt der Person, mit der man sich ausgetauscht hat, festhalten. „Denn spätestens nach der dritten, vierten, fünften Veranstaltung stapeln sich die Kontakte auf Linkedin oder die Visitenkarten“, so die Coachin. „Und da macht es einfach Sinn, ein bisschen eine Ordnung reinzubringen und zu wissen, wer ist denn da jetzt eigentlich? Wer könnte relevant sein?“

Letztendlich sollte man aber nicht vergessen: Ein Netzwerk baut sich nicht von heute auf morgen auf. Und nicht jeder Kontakt bringt sofort auch einen beruflichen Nutzen. Karin Kreutzer empfiehlt deshalb auf Konferenzen oder bei anderen Gelegenheiten nicht nur verkrampft darauf zu achten, wen man kennenlernen könnte. Sie sagt: „Das sollte auch Spaß machen.“

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